ROMAN FLÜGEL – FATTY FOLDERS (Dial/Kompakt) Voe: 05.09.11

„Is there anything Roman Flügel won’t (or can’t) do?”, fragte neulich der Resident Advisor. Was zunächst wie ein Beliebigkeitsverdacht klingen mag, würdigt in Wahrheit die undogmatische Spielfreude des Frankfurter Produzenten, den man u.a. auch als Mitglied von Alter Ego und Sensorama kennt. Denn der stilistische Tunnelblick ist Roman Flügel ein Gräuel, zu seinen ungeschriebenen Maximen gehört es, andere Einflüsse, andere Stimmen, andere Orte mitklingen zu lassen. Farbenfroh quellen die Ablagen über, aber unübersichtlich wird es deswegen nie. „Fatty Folders“ ist eine doppelte Premiere: Roman Flügels erstes Album als Roman Flügel und sein erstes auf DIAL. Fast alle Stücke sind 2010 und 2011 in Flügels Frankfurter Studio entstanden. „Fatty Folders“ klingt wie die persönliche Essenz aus vielen Jahren gelebter Clubkultur plus dem was davor war: Disco und klassischer Deep House, Boogie und Afro-Jazz kommen vor; wer mag, kann sogar Pathosformeln à la Art of Noise vernehmen. Und mit „Krautus“ hat ein kosmischer Elektroniktra ck den langen Weg von Flügels Festplatte gefunden. Roman Flügel ist und bleibt ein Connaisseur, der gottseidank keine Angst vor extra feinem Populismus hat – uns allen steckt bis heute Alter Egos flammendes „Rocker“ in den Knochen. Auf „Fatty Folders“ zeigt sich Flügel als Meister  der subtilen Eskalationsstufen, mal gibt er sich kurz angebunden, dann holt er weit aus und arbeitet sich über Umwege zum obersten Enthusiasmus empor. Roman-Flügel-Tracks sind immer doppelte Botschaften: Minimales und Monumentales, Überschwang und Understatement, Furztrockenes und Butterweiches schmiegen sich dialektisch aneinander und bringen am Ende pure Schönheit hervor. Flügel glaubt an den Club als utopische Station,  verweigert sich aber gerade deswegen einem amtlichen Funktionalismus und geordneten Verhältnissen. Irgendetwas läuft da immer wieder unrund, lässt die Stücke straucheln und alle Klischees alt aussehen. Die eigensinnige „Gegen den Strich“-Haltung erinnert stellenweise  an Moodyman und Theo Parrish, aber auch an Flügels Gelegenheitskollaborateur Ricardo Villalobos. Ein jähes „Yeah!“, ein exotisch anmutendes Klatschen oder eine analoge Percussion, überhaupt plötzliche Stimmungswechsel und diverse Gimmicks (Rauschen, Düsewind, Geläut) sorgen dafür, dass „Fatty Folders“ weit mehr ist als Easy Listening für die digitale Boheme. Roman Flügel wandelt  an den Außengrenzen von House und Techno und passt damit exzellent in den DIAL-Zusammenhang. Und so fehlt es denn auch nicht an der von so manch anderer DIAL-Veröffentlichung bekannten deepen, romantischen Hintergrundwärme, in der es sich so herrlich versinken lässt. „Fatty Folders“ ist ein Album, das man immer wieder und dann noch einmal hören will, weil es wächst und wächst und mit all seiner Ideenvielfalt in ungeahnte Richtungen ausschlägt.

Aram Lintzel

www.dial-rec.de www.romanfluegel.de